Buch: The Four Greatest Coaching Conversations
Ein umfassender Leitfaden zur Veränderung von Denkmustern
Als Transformations-Coach oder Trainer wissen Sie, dass effektives Coaching mehr erfordert als nur gute Gesprächsführung. Die wahre Kunst liegt darin, Denkweisen (Mindsets) zu verändern und nachhaltige Verhaltensänderungen zu bewirken. In diesem Blogpost möchte ich Ihnen einen wertvollen Ansatz vorstellen, der auf der umfangreichen Datenanalyse von über 100.000 Coaching-Gesprächen basiert: Die vier transformativen Coaching-Gespräche nach Jerry Connor und Karim Hirani.
Die Grundlage: Mindset-Veränderung als Schlüssel zu nachhaltigem Coaching
Connor und Hirani, Gründer von BTS Coach, haben durch ihre Arbeit mit rund 300 Coaches in über 40 Ländern eine bemerkenswerte Entdeckung gemacht: Trotz unterschiedlichster Situationen und Herausforderungen lassen sich die effektivsten Coaching-Gespräche in vier Kategorien einteilen, die jeweils auf die Veränderung eines bestimmten Mindsets abzielen.
Warum ist die Veränderung des Mindsets so entscheidend? Denken Sie an folgendes Beispiel: Nur einer von sieben Menschen schafft es, seinen Lebensstil zu ändern, obwohl ein Arzt ihnen mitgeteilt hat, dass ihre Gesundheit davon abhängt. Das Problem liegt nicht im Wissen oder in der Motivation – es liegt im Mindset, den unterbewussten Überzeugungen und mentalen Rahmen, die unser Handeln bestimmen.
Die vier transformativen Coaching-Gespräche im Überblick
1. Das „Be“-Gespräch: In Ressourcenstärke handeln
Wann einsetzen: Wenn jemand sich schlecht, unsicher oder nicht handlungsfähig fühlt.
Das „Be“-Gespräch hilft Menschen, in kritischen Situationen ihr Bestes zu geben. Es ist besonders relevant, wenn jemand in stressigen Situationen überreagiert oder sich zurückzieht.
Der ETC-Prozess:
- E – Emotion: Die Coachees werden eingeladen, die Trigger-Situation zu erkennen, die Emotionen wahrzunehmen und ihre inneren Dialoge zu identifizieren.
- T – Truth (Wahrheit): Hier hinterfragen die Coachees ihre begrenzenden Überzeugungen und zugrunde liegenden Annahmen, um zu einer objektiveren Sichtweise zu gelangen.
- C – Choice (Wahl): Auf Basis der neuen Perspektive treffen Coachees eine bewusste Entscheidung, wie sie in ähnlichen Situationen künftig handeln wollen.
Das „Be“-Gespräch ist besonders effektiv bei Themen wie Stressbewältigung, Selbstvertrauen, emotionalen Ausbrüchen und Verhaltensänderungen.
2. Das „Relate“-Gespräch: Vertrauen und Verbindung aufbauen
Wann einsetzen: Wenn jemand Vertrauen oder Verbindung zu anderen aufbauen muss.
Dieses Gespräch unterstützt Menschen dabei, Beziehungen zu verbessern, Einfluss zu gewinnen und Konflikte zu lösen. Es ist die häufigste Coaching-Konversation in unserem Datensatz.
Der See-Hear-Speak-Prozess:
- See (Sehen): Der Coachee wird eingeladen, sich in die Schuhe anderer zu versetzen und deren Perspektive zu erleben.
- Hear (Hören): Hier übt der Coachee aktives Zuhören, das über das reine Verstehen hinausgeht und emotionale Verbindung schafft.
- Speak (Sprechen): Der Coachee lernt, seine Botschaft klar und überzeugend zu formulieren, wobei er die Erkenntnisse aus den vorherigen Schritten integriert.
Das „Relate“-Gespräch eignet sich hervorragend für Situationen wie Konfliktlösung, Coaching anderer und den Umgang mit kultureller Vielfalt.
3. Das „Inspire“-Gespräch: Klarheit über Richtung und Zweck gewinnen
Wann einsetzen: Wenn jemand sich selbst oder andere nicht mit einem klaren Zweck oder einer Richtung inspirieren kann.
Dieses Gespräch hilft Menschen, ihre Werte zu klären und eine inspirierende Vision zu entwickeln – sowohl für sich selbst als auch für andere.
Der ICE-Prozess:
- I – Important (Wichtig): Der Coachee identifiziert seine Kernwerte und was ihm wirklich wichtig ist.
- C – Change (Veränderung): Der Coachee visualisiert die Veränderung, die er bewirken möchte, und schafft eine Spannung zwischen der aktuellen Realität und seiner Vision.
- E – Experiments (Experimente): Der Coachee definiert kleine, konkrete Schritte, die ihn seiner Vision näherbringen.
Das „Inspire“-Gespräch ist besonders wertvoll bei der Entwicklung einer authentischen Marke, der Führung von Teams, wichtigen Lebensentscheidungen und der Führung in Unsicherheit.
4. Das „Think“-Gespräch: Neue Ideen und kreative Lösungen finden
Wann einsetzen: Wenn jemand neue Ideen oder kreative Lösungen benötigt.
Dieses Gespräch ermutigt Menschen, aus ihren gewohnten Denkmustern auszubrechen und innovative Lösungen zu entwickeln.
Der Breakthrough Thinking Cycle:
- Looking Up (Aufschauen): Der Coachee hinterfragt den Status quo und formuliert eine Untersuchungsfrage.
- Looking Out (Ausschauen): Der Coachee sammelt Daten und Perspektiven von verschiedenen Quellen.
- Looking Down (Hinschauen): Der Coachee analysiert die Daten und identifiziert Grundursachen.
- Looking Forward (Vorausschauen): Der Coachee entwickelt Lösungen und Handlungspläne.
- Looking In (Hineinschauen): Der Coachee reflektiert, lernt und verbessert kontinuierlich.
Das „Think“-Gespräch eignet sich besonders für Ideenfindung, Kundenorientierung, strategisches Denken und das Hinterfragen bestehender Prozesse.
Tiefere Einblicke in die Psychologie der Mindset-Veränderung
Was macht diese vier Gespräche so wirkungsvoll? Jedes Gespräch zielt auf einen anderen Bereich der Psyche ab:
- Be: Erweitert das Bewusstsein nach unten zum „niedrigeren Selbst“ – den unbewussten Glaubenssätzen und Annahmen.
- Relate: Erweitert das Bewusstsein nach außen – zum Verstehen anderer Menschen.
- Inspire: Erweitert das Bewusstsein nach oben zum „höheren Selbst“ – zu Werten, Zweck und Bedeutung.
- Think: Erweitert das Bewusstsein nach außen – zum breiteren Ökosystem und Kontext.
Die Autoren beschreiben fünf Dimensionen, die bei der Meisterung dieser Gespräche helfen:
- Tappen Sie in die reale und spezifische Erfahrung: Arbeiten Sie mit konkreten Momenten statt mit Abstraktionen.
- Nutzen Sie die Magie der Gefühle: Emotionen sind der Schlüssel zur Veränderung; benennen und ausdrücken hilft beim Loslassen.
- Trennen Sie Geschichte von Fakten: Helfen Sie den Coachees, zwischen Tatsachen und ihrer Interpretation zu unterscheiden.
- Springen Sie nicht sofort in das neue Mindset: Führen Sie den Coachee durch den 3-2-1-Prozess (blind für das neue Mindset, das neue Mindset sehen, das neue Mindset sein).
- Üben, üben, üben: Echtes Lernen geschieht durch Experimente im echten Leben.
Anwendung auf Organisationen
Ein faszinierender Aspekt des Buches ist die Erkenntnis, dass nicht nur Individuen, sondern auch Organisationen Mindsets haben. Die gleichen vier Gespräche können daher auch für organisatorische Veränderungen eingesetzt werden:
- Be: Hilft Teams, mit Veränderungen ressourcenvoll umzugehen, z.B. bei Umstrukturierungen oder Krisen.
- Relate: Verbessert die Beziehungen zwischen verschiedenen Abteilungen oder bei Fusionen.
- Inspire: Unterstützt Organisationen dabei, einen gemeinsamen Zweck und eine gemeinsame Vision zu entwickeln.
- Think: Fördert Innovation und kreatives Problemlösen auf organisatorischer Ebene.
Entwicklungsstufen und lebenslange Lernreise
Was besonders faszinierend ist: Die Autoren identifizieren für jedes der vier Gespräche drei Entwicklungsstufen, die eine lebenslange Lernreise darstellen:
- Level 1: Die grundlegende Mindset-Veränderung (z.B. im „Be“: „Ich kann meine Einstellung wählen“)
- Level 2: Eine tiefere Integration (z.B. im „Be“: „Ich kann mein ganzes Selbst sein“)
- Level 3: Eine systemische Perspektive (z.B. im „Be“: „Ich bin ein Agent für das Ganze“)
Diese Entwicklungsstufen korrelieren mit vertikaler Entwicklung und entsprechen Bewusstseinsstufen, die von Entwicklungstheoretikern wie Ken Wilber, Bill Torbert und Robert Kegan beschrieben wurden.
Praktische Anwendung für Transformations-Coaches
Als Transformations-Coach können Sie diesen Rahmen nutzen, um:
- Präziser zu diagnostizieren: Identifizieren Sie, welches der vier Gespräche für Ihren Coachee gerade am relevantesten ist.
- Gezielter zu intervenieren: Setzen Sie den entsprechenden Prozess (ETC, See-Hear-Speak, ICE oder den Breakthrough Thinking Cycle) ein.
- Entwicklungsorientierter zu arbeiten: Verstehen Sie, auf welcher Entwicklungsstufe Ihr Coachee in jedem der vier Bereiche steht, und unterstützen Sie ihn beim Fortschreiten.
- Systemischer zu denken: Wenden Sie die gleichen Prinzipien auf Teams und Organisationen an.
Fazit: Ein robuster Rahmen für transformatives Coaching
Die vier transformativen Coaching-Gespräche bieten einen umfassenden, forschungsbasierten Ansatz für Coaches und Trainer, die nachhaltige Veränderungen bewirken wollen. Durch das Verständnis, wann und wie man jedes dieser Gespräche einsetzt, können Sie Ihre Coaching-Wirksamkeit deutlich steigern.
Was diesen Ansatz besonders wertvoll macht, ist seine Flexibilität: Die Gespräche können sowohl in formellen Coaching-Sitzungen als auch in kurzen Interventionen im Arbeitsalltag eingesetzt werden. Sie können an unterschiedliche Situationen angepasst werden und bieten dennoch eine klare Struktur, die den Coaching-Prozess leitet.
Letztendlich geht es beim transformativen Coaching nicht darum, Problemen mit schnellen Lösungen zu begegnen, sondern die zugrunde liegenden Mindsets zu verändern, die unser Verhalten und unsere Ergebnisse bestimmen. Mit den vier transformativen Coaching-Gesprächen haben wir einen Schlüssel, um genau das zu tun.
Wie nutzen Sie transformative Coaching-Ansätze in Ihrer Praxis? Welches der vier Gespräche erscheint Ihnen für Ihre aktuelle Zielgruppe am relevantesten? Ich freue mich auf Ihre Gedanken und Erfahrungen in den Kommentaren!