Delegation Poker

Ein mächtiges Werkzeug für moderne Führung und Projektmanagement

In der sich stetig wandelnden Arbeitswelt stehen Führungskräfte und Projektleiter vor der Herausforderung, Entscheidungsprozesse effektiv und transparent zu gestalten. Dabei geht es nicht nur um die Frage, wer welche Entscheidungen trifft, sondern auch darum, wie Teams gestärkt und Mitarbeitende in ihrer Entwicklung gefördert werden können. Delegation Poker, entwickelt von Jurgen Appelo im Rahmen von Management 3.0, bietet hier einen innovativen Ansatz.

Die Kunst der Delegation verstehen

Delegation ist keine Einbahnstraße, sondern ein Spektrum von Möglichkeiten. Das Konzept des Delegation Pokers macht dieses Spektrum greifbar und bietet einen strukturierten Rahmen für die verschiedenen Grade der Entscheidungsfindung. Von der direktiven Entscheidung durch die Führungskraft bis hin zur vollständigen Autonomie des Teams erstreckt sich eine Palette von sieben Delegationsstufen.

Im Kern geht es darum, für jede Situation das richtige Maß an Delegation zu finden. Nehmen wir ein typisches Beispiel aus der Produktentwicklung: Ein Team steht vor der Entscheidung, welche Technologie für ein neues Feature verwendet werden soll. Hier könnte der Delegationsgrad je nach Kontext stark variieren. Bei einem hochkritischen Sicherheitsfeature mag die Führung stärker eingreifen, während bei einer UI-Komponente das Team völlig autonom entscheiden kann.

Die sieben Delegationsstufen im Detail

Das Spektrum der Delegation umfasst sieben klar definierte Stufen, die verschiedene Grade der Entscheidungsautonomie repräsentieren:

Tell (1) (Anweisen)

Die Führungskraft entscheidet allein und verkündet ihre Entscheidung. Dies ist der direkteste Weg und eignet sich für Krisensituationen oder wenn schnelle, strategische Entscheidungen notwendig sind. Beispiel: Die sofortige Umstellung auf Remote-Arbeit während einer Krise oder die Festlegung strategischer Geschäftsziele.

Sell (2) (Verkaufen)

Die Führungskraft trifft die Entscheidung, investiert aber Zeit, um die Beweggründe zu erklären und Akzeptanz zu schaffen. Besonders wichtig bei größeren Veränderungen. Beispiel: Die Einführung einer neuen Entwicklungsmethodik oder die Reorganisation von Teamstrukturen.

Consult (3) (Meinung einholen)

Vor der Entscheidung holt die Führungskraft aktiv Meinungen und Expertise ein, behält aber die finale Entscheidung. Ideal für komplexe Entscheidungen, die verschiedene Perspektiven erfordern. Beispiel: Die Priorisierung von Produktfeatures oder die Festlegung von Projektbudgets.

Agree (4) (Zustimmung einholen)

Die Entscheidung wird im Konsens zwischen Führungskraft und Team getroffen. Alle Beteiligten müssen zustimmen, was zwar Zeit kostet, aber hohe Akzeptanz schafft. Beispiel: Die Entwicklung neuer Teamrichtlinien oder die Definition von Qualitätsstandards.

Advise (5) (Rat einholen)

Das Team trifft die Entscheidung, aber holt sich zuvor aktiv den Rat der Führungskraft ein. Die Führungskraft agiert als Mentor und Berater. Beispiel: Die Auswahl von Technologien für ein neues Projekt oder die Gestaltung von Arbeitsprozessen.

Inquire (6) (Anfragen)

Das Team entscheidet eigenständig und informiert die Führungskraft über die getroffene Entscheidung. Die Führungskraft vertraut der Expertise des Teams. Beispiel: Die Organisation des Sprint-Plannings oder die Verteilung von Aufgaben im Team.

Delegate (7) (Delegieren)

Vollständige Autonomie für das Team – es muss nicht einmal mehr über die Entscheidung informieren. Höchstes Level des Vertrauens und der Selbstorganisation. Beispiel: Die Gestaltung des Daily Standups oder die Wahl von Entwicklungswerkzeugen.

Diese Stufen bieten einen präzisen Rahmen für die Gestaltung von Entscheidungsprozessen in Projekten und Organisationen. Je nach Situation, Teamreife und Art der Entscheidung kann der passende Grad der Delegation gewählt werden.

Psychologische Wirkung und Teamentwicklung

Die Bedeutung von Delegation Poker geht weit über das reine Entscheidungsmanagement hinaus. Es schafft einen psychologischen Rahmen, in dem sich Mitarbeitende sicher und wertgeschätzt fühlen. Wenn Teams verstehen, dass sie bei bestimmten Entscheidungen völlige Autonomie haben, während bei anderen die Führung stärker eingreift, entwickelt sich ein tiefes Verständnis für die eigene Rolle und Verantwortung.

Diese Klarheit führt zu erhöhtem Engagement und Motivation. Mitarbeitende, die wissen, dass ihre Expertise geschätzt wird und sie in ihrem Kompetenzbereich autonom entscheiden können, entwickeln ein stärkeres Ownership für ihre Arbeit. Gleichzeitig reduziert das klare Framework Unsicherheiten und Konflikte über Entscheidungsbefugnisse.

Implementierung im Projektalltag

Die praktische Anwendung von Delegation Poker kann verschiedene Formen annehmen. Während das ursprüngliche Konzept mit Spielkarten arbeitet, liegt der wahre Wert in der systematischen Auseinandersetzung mit Entscheidungsprozessen. In Projektteams kann dies beispielsweise bedeuten, zu Projektbeginn eine Delegationsmatrix zu erstellen: Welche Arten von Entscheidungen werden auf welcher Ebene getroffen?

Ein Beispiel:

In einem Digitalisierungsprojekt könnte die Priorisierung der Roadmap auf Führungsebene nach Konsultation des Teams erfolgen (Consult), während die technische Architektur vom Team mit beratender Funktion der Führung gestaltet wird (Advise). Die tägliche Entwicklungsplanung liegt komplett beim Team (Delegate).

Entwicklung einer Delegationskultur

Der Aufbau einer gesunden Delegationskultur ist ein evolutionärer Prozess. Teams und Führungskräfte wachsen gemeinsam in ihre Rollen hinein. Was heute noch eine Konsensentscheidung erfordert, kann morgen bereits vollständig delegiert werden. Dieser organische Entwicklungsprozess wird durch das Framework des Delegation Pokers unterstützt und strukturiert.

Besonders wertvoll ist dabei die Möglichkeit, Delegationsgrade flexibel anzupassen. Ein neues Team mag zunächst mehr Führung benötigen, während ein erfahrenes Team bereits große Autonomie genießt. Diese Flexibilität ermöglicht es Organisationen, ihre Delegationskultur kontinuierlich weiterzuentwickeln.

Die transformative Kraft der bewussten Delegation

Die Einführung von Delegation Poker in einer Organisation kann eine transformative Wirkung entfalten. Es schafft nicht nur Klarheit über Entscheidungsprozesse, sondern fördert auch eine Kultur des Vertrauens und der kontinuierlichen Entwicklung. Führungskräfte lernen, loszulassen und ihre Rolle als Enabler wahrzunehmen, während Teams in ihre Verantwortung hineinwachsen.

Für innovative Projekte bedeutet dies einen doppelten Gewinn: Einerseits werden Entscheidungsprozesse effizienter und transparenter, andererseits entwickeln sich Teams und Individuen kontinuierlich weiter. Die psychologische Sicherheit, die durch klare Delegationsstrukturen entsteht, bildet dabei die Grundlage für kreatives und innovatives Arbeiten.

Fazit

Delegation Poker erweist sich als wertvolles Werkzeug für moderne Organisationen, die ihre Entscheidungsprozesse evolutionär entwickeln möchten. Es verbindet strukturierte Entscheidungsfindung mit psychologischem Empowerment und schafft damit die Grundlage für hochperformante Teams und erfolgreiche Projekte.

Der wahre Wert liegt dabei nicht im mechanischen Abarbeiten von Delegationsstufen, sondern in der bewussten Auseinandersetzung mit Führung, Verantwortung und Teamentwicklung. Organisationen, die diesen Weg gehen, schaffen die Voraussetzungen für nachhaltige Innovation und Mitarbeiterzufriedenheit.

Dieser Blogpost wurde für Whitespring erstellt und beleuchtet Delegation Poker als strategisches Management-Tool. Für eine individuelle Beratung zur Implementierung in Ihrer Organisation stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.